Flotter Dreier  

die Story der Suzuki XR11
und ihrer Fahrer, vierter und letzter Teil.


von Karl Hübben

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Teil 4 - 1976


Die Rennen in Europa

Die Teams begaben sich nach diesem turbulenten Saisonauftakt nach Europa. Barry Sheene aber flog nach Japan, um die neue Werks RG 500 (XR14) zu testen. Über diese erste Begegnung mit der neuen Maschine sagte er später: „Ich war mit ihr auf dem Ryuyo Testkurs nur um eine halbe Sekunde schneller als mit dem Production Racer RG500 MK1, der zu Vergleichszwecken ebenfalls zur Verfügung stand, also wahrlich kein weltbewegender Fortschritt. Okay, sie ist leichter als die Vorjahresmaschine und sie lässt sich leichter steuern, aber ein wirklich großer Fortschritt im Bereich Leistung ist wirklich nicht vorhanden.“

Barry war also nicht sehr überzeugt von Makato Hases Arbeit. Oder wollte er nur tiefstapeln, und wenn, aus welchem Grund? Die neue 1976er XR14 war ein grundlegend anderes Motorrad. Das Bohrungs-/Hubverhältnis des Motors änderte sich von 56x50,5mm auf 54x54mm, was zusammen mit einer neuen Kanalanordnung, einer geänderten Auspuffanlage und einer auf 8,2:1 angehobenen Verdichtung (vorher 8,0:1) eine um 14PS höhere Spitzenleistung bei geringerer Drehzahl ergab, wobei der Motor vor allem im unteren Drehzahlbereich deutlich besser antrat. Das Motorrad war außerdem fast 5kg leichter und hatte eine verbesserte Lenkgeometrie, aber nach Barry Sheene’s Meinung hatte sich ja kaum etwas getan! 

Start in Imola, Steve Baker ist schon weg, vorne mit bei der Prominenz dabei 
Bruno Kneubühler (41), hinten ihm Victor Palomo (44), links Michel Rougerie (25)

Lange bevor in Frankreich der erste 500ccm WM Lauf gestartet wurde, traf sich die Weltelite am
4. April in Imola zum “Daytona“ Europas. Das Rennen war schon wegen des überaus vielseitigen Starterfeldes sehr interessant, da ja auch die Amerikaner mit nach Europa kamen, um kurze Zeit später die Transatlantic Match Races gegen die Engländer zu bestreiten. Das Rennen wurde eine Demonstration des Könnens eines Mannes: Steve Baker! Der kleine schwarzgelockte Mann aus Bellingham im Staate Washington fuhr eine Werksmaschine für das kanadische Yamaha Team.

Der fabelhafte Baker Boy, 
Steve Baker auf TZ 750 unschlagbar in Imola

Einem Fahrer aus dem hohen Norden der USA hätte der amerikanische Yamaha Importeur eine solche Maschine niemals gegeben, meinte er selber einmal. Nur Roberts, Cecotto und Hideo Kanaya hatten vergleichbares Material. Steve Baker wusste dieses Material richtig einzusetzen. Sieg in beiden Läufen, dazu schnellste Runde und Steckenrekord. The Winner takes it all! In beiden Läufen waren die ersten drei Plätze gleich besetzt, Zweiter wurde jeweils Michel Rougerie und dritter Barry Sheene. An der Suzuki von Sheene, Newbold und Williams klebte noch der Dreck aus Venezuela. Die Maschinen waren in letzter Minute eingetroffen und nur mit minimalster Vorbereitung an den Start geschoben worden. Weniger Glück hatten Gary Nixon und Pat Hennen, nicht nur dass ihre Maschinen noch in Caracas waren, zu allem Übel wurden sie auch noch im Fahrerlager von Imola bestohlen. Für Pat Hennen ging es noch glimpflich ab, die Diebe müssen echte Fans gewesen sein. Er fand sein Mietauto in einem Feld geparkt wieder, alle persönlichen Sachen, sogar eine Summe von 2000 Dollar waren noch vorhanden. Er bekam für’s Rennen die XR11 des seit Daytona verletzten John Williams geliehen. Allerdings war diese Suzuki, wie bei Engländern üblich, rechts geschaltet. Er hatte seine liebe Mühe damit, konnte damit aber doch im ersten Lauf  Fünfter hinter dem hervorragend fahrenden Bruno Kneubühler werden, im zweiten Lauf Sechster, gesamt fünfter Platz vor John Newbold. Gary Nixon hatte wirklich einige schwarze Tage: sein Geld und alle Papiere gestohlen, Erv Kanemotos Aufzeichnungen der letzten zehn Rennjahre weg, unersetzlich! Gary versuchte vom englischen Kawa Team eine Maschine zu bekommen, aber Stan Shenton, Teamchef von Mick Grant und Barry Ditchburn, hielt sich bedeckt. Am Ende war es Kenny Roberts, der seinem Konkurrenten seine Reserve Yamaha lieh, aber mit der ungewohnten Maschine konnte sich Gary nicht qualifizieren. (Wie wäre das, wenn Kimi Raikonen Michael Schumacher sein T-car leihen würde, falls  der Ferrari nicht pünktlich zum Rennen herangeschafft wird, irgendwie schwer vorstellbar, oder?)

US Boys clear the pack! Baker vor Roberts in Imola, F750, April 1976

Alles futsch:
 kein Geld, kein Moped, 
Gary Nixon, einmal mehr der Pechvogel,
 Imola 1976

Und was machte Daytona Sieger Johnny Cecotto? Der kam nur bis zum Ende der ersten Runde, Lenkerstummel rechts beim Anbremsen gebrochen. Der folgende Sturz war unvermeidlich.

Harte Landung für Michel Rougerie in Paul Ricard

Johnny Cecotto beim Spritfassen in Paul Ricard, ganz rechts Vince French

Die Elite traf sich nach dem Imola Rennen in Paul Ricard, um an einem nicht zum FIM-Cup gehörenden Formel 750 Rennen teilzunehmen. Auf heimatlichem Grund übertrieb es der vom zweiten Startplatz losgefahrene Michel Rougerie etwas und legte eine längere Strecke der ersten Runde ohne sein Motorrad zurück. Johnny Cecotto hielt sich für seine Schlappen in San Carlos und Imola schadlos und siegte vor Steve Baker, der mit ihm als Einziger in derselben Runde fuhr. Dritter wurde Yvon Duhamel, der als einziger Kawa Fahrer überhaupt und ohne Probleme vor Cristian Estrosi ins Ziel fahren konnte.

Das US Team 1976 v.l.: Baker, Roberts, Romero, Pierce, Nixon, Cleek, Evans, Hennen

Erster Saisonhöhepunkt auf den Britischen Inseln waren damals die Transatlantic Match Races, die immer am Osterwochenende auf mehreren englischen Rennstrecken ausgefahren wurden. 1976 sollten es sechs Läufe sein, je zwei in Brands Hatch, Mallory Park und Oulton Park. Diese Rennen, in Form eines Länderkampfes ausgetragen, zogen unglaubliche Zuschauermassen an. Die britische Mannschaft, als Teamcaptain fungierte im Jahr 1976 Phil Read, schlug die Amerikaner mit 412 zu 384 Punkten. Und das, obwohl fünf von sechs möglichen Siegen an die US Boys gingen, vier davon durch Steve Baker. Barry Sheene konnte auf seiner alten XR11 in Mallory Park einmal gewinnen und war in vier weiteren Rennen auf dem Treppchen. Insgesamt waren die Engländer, die neben Sheene und Read mit Barry Ditchburn, John Williams, Mick Grant, Steve Parrish, Dave Potter, dem jungen “Rocket Ron“ Haslam und Dave Croxford auf seiner wenig konkurrenzfähigen John Player Norton zum Vergleichskampf antraten, die ausgeglichenere Mannschaft. Bei den Amerikanern waren neben den überragenden Fahrern Baker und Roberts, der den fünften US Sieg erzielte, und den sicheren Punktelieferanten Nixon und Hennen, zu große Lücken zum Rest der Mannschaft vorhanden, um mehr zu erreichen.

Barry Sheene und Mick Grant, 
die ewigen Wiedersacher auf der Insel,
 Mallory Haarnadelkurve, 
Trans Atlantic Match Races 1976

Barry Sheene, 
Sieger in Mallory Park,
 Transatlantic Match Races, 
Ostern 1976

Das sollte man noch öfter zu sehen bekommen,
 Barry und Kenny auf Tuchfühlung, 
Transatlantic Match Races, 
Brands Hatch, Ostern 1976

Die Meute in der Paddock Bend, wir sehen Phil Read (wohin soll der Pfeil eigentlich deuten?), Ron Pierce, Pat Hennen (40), John Newbold (5), vorneweg Roberts und Sheene,
 Transatlantic Match Races, Brands Hatch 1976

Houston, ich habe ein Problem! Gene Romero küsst Dave Potter's Hinterrad, links John Williams, Transatlantic Match Races, Brands Hatch 1976

Im Suzuki Hauptquartier in Croydon waren in der Zwischenzeit endlich die herbeigesehnten neuen XR14 aus Japan eingetroffen. Was jetzt passierte, führte zum ersten offenen Streit zwischen Merv Wright und Barry Sheene. Für Merv Wright sah die Sache so aus: Jeder Fahrer bekommt eine der neuen Maschinen und dazu jeweils eine Vorjahresmaschine als Ersatzfahrzeug, so war es mit Suzuki Japan abgesprochen. Wie auch immer, Barry war in der Lage, alle drei Maschinen für sich zu beanspruchen: eine als seine erste Maschine, eine als Spare-Bike und die dritte als sein “International Bike“! Am Ende durften sich seine beiden Team-Kollegen die drei verbleibenden, schon sehr verbrauchten, Vorjahresmaschinen teilen. Es hatte also nicht einmal jeder der beiden eine Reservemaschine für sich alleine. So waren technisch bedingte Ausfälle schon von vornherein abzusehen, und die Mechaniker würden es ungleich schwerer haben, ihren Fahrern ein vernünftiges Arbeitsgerät auf die Startlinie zu stellen.

Bob White, John Williams Mechaniker, der mit Barry Sheene die ganze Saison über einen kleinen Privatkrieg führte, meinte dazu: „Eigentlich sollten wir ja ein Team sein, aber dann stellte sich heraus, was das Ganze wirklich war. Uns blieb nichts anderes übrig als es zu akzeptieren, Barry war ja die Nummer eins, was wir auch akzeptiert haben, aber nach meiner Ansicht vom Motorradrennsport muss man seine Gegner auf der Rennstrecke schlagen!“

Im ersten WM Lauf in Le Mans .. 


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